Im Auge des Betrachters

Und, wie schaut’s aus? Zwölf Tage ist das Jahr 2019 alt. Noch dabei den gefassten Vorsatz fleißig zu erfüllen oder schon wieder ad acta gelegt? Bei mir trifft beides nicht zu. Ich habe keinen Vorsatz, um ihn erfüllen zu können und somit gibt es auch keinen, den ich verwerfen kann. So ist das Leben doch gleich viel g’schmeidiger oder? Wobei, wenn ich ehrlich bin, gibt es dann doch etwas, das ich mir vorgenommen habe. Nicht erst seit zwölf Tagen, sondern etwas, das sich im Laufe des vergangenen Jahres entwickelt hat.

Auf den ersten Blick haben Laufen und Schreiben nicht viel gemeinsam. Doch es gibt etwas, das mich in beiden Lebensbereichen weiterbringt: Das Verändern der Perspektive. Eine gute Story lebt von dem, der sie erzählt. Für mich als Schreiberin taucht da zuallererst die Frage auf: Welche Perspektive nehme ich ein? Also wen lasse ich erzählen. Doch was hat das alles mit Laufen zu tun?

Vom Ich-Erzähler…

2018 habe ich viel über mich gelernt. Dass es sich auszahlt, den eigenen Weg zu gehen, auch wenn er das eine oder andere Mal in eine Sackgasse führt. Irgendwann kommt man doch da an, wo man hin will. Durch die Irrungen und Wirrungen, die es einem schwer gemacht haben, ist man letztendlich vielleicht sogar glücklicher, als wenn es eine einfache Gerade bis zur Ziellinie gewesen wäre.

Die Irrungen und Wirrungen beim Laufen hatten in der Vergangenheit oft mit mir selbst zu tun. Ich wollte mir gerecht werden. Meinen Anforderungen, Erwartungen. Meine Perspektive war der Ich-Erzähler. „Ich mach mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt”, singt Pippi Langstrumpf. Dabei war nicht alles zu meinem Gefallen. Auch wenn es mehr die Ausnahme, als die Regel war, aber klappte ein Training einmal nicht so, wie ich es wollte, war ich von mir enttäuscht. Dazu kam, wie ich schon öfters erwähnt habe, dass ich mich ständig mit mir selbst verglichen habe. Damals so, heute so. Damals warst du gut, heute bist du schlecht. Klar gab es auch gute Tage mit einem positiven Zeugnis, aber durch diese ständigen Bewertungen habe ich mir im Grunde genommen nichts Gutes getan.

…zur Außenwahrnehmung

In einer Weiterbildung für meinen Job als Journalistin habe ich mich in den vergangenen Monaten unter anderem mit dem Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven und damit verbunden verschiedenen Sichtweisen beschäftigt. Im Endeffekt war dies nicht nur für den Job lehr- und hilfreich, sondern auch fürs Laufen. „Ich würde viel dafür geben, wenn ich deine Zeit am Marathon stehen hätte“, hat mir eine Freundin nach Valencia gesagt. Oder meine Familie, die mit Laufen gar nichts am Hut hat und mich jedes Mal ungläubig anschaut, wenn ich vom Training zurückkomme und erzähle, welche Strecke ich gelaufen bin. Andere Sichtweisen schärfen also den eigenen Blick und geben Raum für Gelassenheit und damit auch Zufriedenheit. Die Wahrheit liegt also nicht immer im Auge des Betrachters. Vor allem nicht, wenn ein Hang zum Perfektionismus besteht.

„Deine Motivation hätte ich gerne, um die Uhrzeit laufen zu gehen“, meinte kürzlich eine Bekannte. Die Rede ist vom Longjog vergangenen Sonntag. 5:14 Uhr war es, um genau zu sein. Aber das ist dann doch eine andere Geschichte. In dem Moment, wenn die Stadt noch schläft und man selbst noch Sand in den Augen hat, hilft nämlich kein Perspektivenwechsel. Da gibt’s nur eines: Augen auf und durch!

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