Endlich wieder Rennen rennen

Die Zeit der virtuellen Läufe ist zum Glück vorbei. Raceluft schnuppern ist angesagt. Ich war bei drei Wettkämpfen mit unterschiedlichen Konzepten dabei.

Laufen ist die natürlichste Sache der Welt, heißt es. Und auch eine der einfachsten Sportarten im Sinne von: Es braucht nicht viel an Ausrüstung und man kann es jederzeit und überall machen. Der wahrscheinlich größte Vorteil in Corona-Zeiten: Laufen ist ein Einzelsport. Ich mag meine, für eine Großstadt, einsamen Earlybirds. Von dem her ist mir in den vergangenen Monaten zumindest im Training nicht viel abgegangen. Doch es gab einen gravierenden Unterschied: Laufen ist nämlich doch nicht nur ein Einzelsport. Gemeinsam am Start zu stehen, sei es, weil man sich gerne herausfordert, das Verschieben der eigenen Grenzen mit anderen leichter geht oder just for fun aus Spaß an der Freud – Wettkämpfe gehören dazu. Für mich zumindest. Meist stehen im Kalender so viele Events, dass die Entscheidung schwerfällt, was es denn werden soll. Die Qual der Wahl blieb dieses Jahr aus. Statt ausgebucht war abgesagt angesagt.

Doch wider Erwarten war und ist es durch engagierte Veranstalter doch noch möglich auch in diesen schwierigen Zeiten am Start zu stehen. Ich habe mir drei herausgepickt, wo ich meine „Coronaform“ testen wollte. Alle drei wurden mit unterschiedlichem Konzept durchgeführt. Bei allen dreien hieß es: Endlich wieder Rennen rennen!  

Foto: Natascha Marakovits

Einzelstart beim Sommerlaufcup

23. August 2020. Auf den Tag genau sechs Monate sind seit meinem letzten Wettkampf vergangen. Dazwischen ist viel passiert. Wobei, eigentlich ist gar nicht viel passiert: Corona, Lockdown, Ziele zerplatzt, eh schon wissen.  Nun also der erste Wettkampf unter besonderen Bedingungen. Wind? Ja eh. In Maßen, keine Rede wert. Hitze an diesem Tag im August? Durch die frühe Startzeit ganz okay. Aber es geht hier nicht um das Wetter, sondern vielmehr um Auflagen, die erfüllt werden müssen. Wettkämpfe in Corona-Zeiten sind anders und erfordern von Veranstaltern ein ausgeklügeltes Konzept. Wie es gehen kann, zeigte Benno Benesch, der Mann, der seit 2011 jedes Jahr an vier Terminen den Sommerlaufcup veranstaltet. Während es für 2020 vorerst eine Absage gab, war es schließlich durch ein „coronafreundliches“ Konzept doch möglich die vier Läufe im Juli und August durchführen zu können. Gelaufen werden eigentlich bei jedem Termin zwei Distanzen. Heuer ist alles anders, daher gab es jeweils nur eine Distanz. Ich war beim letzten Termin am Start: vier Kilometer im Donaupark. Perfekt für eine Standortbestimmung.

Sechs Monate nach dem letzten Rennen gibt’s also endlich wieder eine Startnummer aufs Leiberl. Ich habe die Nummer 18, was so viel heißt, dass ich als 18. ins Rennen gehe. Bei der Anmeldung hatte man die Zielzeit für fünf Kilometer angegeben und dementsprechend wurden die Einzelstarts im zehn Sekunden Abstand durchgeführt. „5, 4, 3, 2, 1, los!“ Ungewohnt, aber durchaus nicht ungut. Die Nummer 17 – der Läufer vor mir – ist zwar zehn Sekunden vor mir gestartet, bleibt aber immer in Sichtweite. Das pusht ihn mir zu holen. Das mache ich dann auch. Ich komme immer näher und gehe schließlich an ihm vorbei. Jetzt nur nicht nachlassen. Das denkt sich aber auch die Nummer 17. Wir gehen nicht auf so enge Tuchfüllung, dass es nicht erlaubt wäre, aber spätestens ab dem Moment ist das Racefeeling zu spüren. Keiner von uns beiden lässt nach, wir pushen uns gegenseitig. Auf der Zielgeraden überholt er mich schließlich. Die Nummer 17 geht doch vor der 18 ins Ziel. Trotzdem hatte ich ihm ein paar Sekunden abgenommen und mich insgesamt noch auf den 14. Gesamtplatz nach vorne gekämpft. Bei den Damen reichten meine 17:02 Minuten für die vier Kilometer sogar für den Sieg. Was für ein Feeling! Endlich wieder gemeinsam statt virtuell einsam!

Foto: Natascha Marakovits

Fazit: Der größte Vorteil des Konzepts des Einzelstarts war für mich gleich zu Beginn: Wie in meiner Klasse üblich, gibt es dadurch auf den ersten paar hundert Metern kein Gedränge, Schubsen oder zickzack vor die Füße laufen. Ich konnte sofort in meinem Tempo starten, das ist bei Massenstarts nur selten der Fall. Ein weiterer Pluspunkt speziell beim Sommerlaufcup: Dadurch, dass es immer nur Bruttozeiten gibt, hat erstmals jeder Teilnehmer auch tatsächlich seine Nettozeit in der Ergebnisliste stehen. Vorteil für all jene – und damit auch mich – die bei einem Massenstart nicht in der ersten Reihe starten. 

Bei der Siegerehrung wurde auf Abstand geachtet und die gegenseitigen Gratulationen fanden klarerweise ohne Händedruck statt. Alles in allem war es eine tolle Veranstaltung, die gezeigt hat, dass klein in diesen Zeiten besonders fein ist.    

Einen kleinen Minuspunkt habe ich dann doch: Es fehlte ein bisschen das echte Wettkampffeeling. Auch das Gedränge am Start macht ein Rennen aus. Man muss sich behaupten, die eigene Pace finden, kann sich vielleicht bei jemandem anhängen. Das fällt weg, wodurch ein Einzelstart fast quasi zum Einzelrennen wird. Dennoch besser Einzelstarts, als gar keine Starts!

Foto: Astrid Knie/Windpark Run

Windiger Windpark Run

„Es gibt keinen Startschuss, ich zähle herunter“, sagt Peter Stampfl, Veranstalter des Windpark Run. Vier Wochen sind seit dem Sommerlaufcup vergangen. Vier Wochen, in denen alles auf diesen Lauf ausgerichtet war. Der Test auf den vier Kilometern war bestanden, die Formkurve ging danach steil nach oben, alles deutete auf einen guten Zehner hin. Dementsprechend war ich motiviert bis in die Zehenspitzen. „3, 2, 1, los!“ Also los. Auf geht’s. Einmal Windpark und zurück. Das ist auch schon das Stichwort, denn ein Windpark ohne Wind wäre wie der Prater ohne Riesenrad. Gehört dazu. Immer. Mal mehr, mal weniger. An diesem 20. September definitiv mehr. Ich kannte die Strecke vom vergangenen Jahr und wusste, dass Südostwind nur eines heißt: Auf den ersten fünf Kilometern Gegenwind. So war es dann auch. Nach dem Massenstart mit 100 Teilnehmern war ich schnell recht einsam. Vor mir hatte sich eine kleine Gruppe abgesetzt, doch ich kam nicht heran. Also alleine gegen die Windwand kämpfen. 

Das zehrte sehr schnell an den Kräften und irgendwann wird dann mit jeder starken Böe auch Stück für Stück der Motivation weggeblasen. Endlich war der Windpark erreicht. Von nun an sollten wir Rückenwind haben. Doch die Freude währte nicht lange, denn der Rückenwind war irgendwie kaum zu spüren. Stattdessen brannte die Sonne unbarmherzig auf Kopf und Nacken. Die Startzeit um 11:15 Uhr war für einen sehr warmen Septembertag eindeutig zu spät. Mir war in der unendlichen Weite der Felder unendlich heiß, aber immerhin konnte ich das Tempo noch halten. Nach 44:50 Minuten war ich schließlich im Ziel. Keine Bestzeit, die wurde vom Winde verweht, aber immerhin mein zweitschnellster Zehner. „Danke fürs Ziehen“, hat sich die Zweitplatzierte im Ziel bedankt. Tatsächlich war ich nach der Hälfte an sie herangekommen und wir pushten uns gegenseitig ins Ziel. Auch sie hatte mit den Bedingungen zu kämpfen. Gemeinsam war es für uns beide „leichter“ – Teamwork quasi. 

Foto: Natascha Marakovits

Dass ich nicht alleine gegen den Wind zu kämpfen hatte, zeigten die Zeiten der österreichischen Topläufer. Denn im Rahmen des Windpark Run wurden auch die Österreichischen Meisterschaften im 10-km-Straßenlauf ausgetragen und obwohl die Strecke brettleben ist, suchte man persönliche Bestzeiten vergeblich. Ringsum nur Felder, die uns leider so gar keinen Windschutz boten. Wir Läufer sind eben keine Skispringer – Windpunkte Fehlanzeige. Egal. Der nächste Zehner kommt bestimmt. Und dann vielleicht auch ohne Wind ?

Fazit: Anders als beim Sommerlaufcup wurde dieses Mal mit 100 Teilnehmern zeitgleich gestartet. Auch die Österreichischen Meisterschaften wurden so geregelt. Somit ein fetter Pluspunkt für das Wettkampffeeling. Beim Start selbst wurde darauf geachtet, den Abstand zu den anderen möglichst einzuhalten. Einen Mund-Nasen-Schutz trug jedoch niemand. Beim Lauf selbst war das Thema Abstand kein Problem, da sich bei 100 Läufern das Feld sehr rasch auseinanderzog. Siegerehrungen fanden dieses Jahr nicht statt. Meine Trophäe für den dritten Platz bei den Damen (und dritte in der AK) konnte ich mir nach dem Lauf im Zielbereich abholen. 

Foto: Österreichischer Frauenlauf GmbH

Distance Marker beim Frauenlauf

26. September 2020. Spontane Entscheidungen sind oftmals die besten Entscheidungen. Nur sechs Tage nach dem Fight gegen den Wind stand ich wieder am Start. Dieses Mal beim 1st Women’s Distance Run, organisiert vom Österreichischem Frauenlauf. Vier Tage vorher hatte ich Bescheid bekommen, dass ich noch einen der begehrten 200 Plätze haben kann. Wie auch beim Windpark Run wurde in mehreren Durchgängen gestartet. 100 Teilnehmerinnen um neun Uhr und 100 um zehn. Ich war bei der ersten Welle dabei. 

Was gleich zu Beginn aufgefallen ist: Maskenpflicht am gesamten Veranstaltungsgelände. Besonderer Pluspunkt: Jede Teilnehmerin bekam eine mit dem Logo der Veranstaltung bei der Startnummernausgabe ausgehändigt. Ein sehr nettes Goodie, wie ich finde.

Der wesentlichste Unterschied des 1st Women’s Distance Run zu den anderen Wettkämpfen verrät schon der Name: Abstand war das Stichwort. Weil das beim Laufen jedoch nicht immer funktioniert, bekam jede Teilnehmerin einen sogenannten Community Distance Marker um den linken Arm geschnallt. Es war das erste Mal, dass ein Lauf in dieser Art durchgeführt wurde, dementsprechend wurde es in den beiden Gruppen unterschiedlich gehandhabt: In der ersten Startgruppe zeichnete der Community Distance Marker ausschließlich die Kontakte auf. Im zweiten Rennen warnte der Marker, wenn der Mindestabstand von einem Meter unterschritten wurde. 

Foto: Österreichischer Frauenlauf GmbH

8:55 Uhr. „Ihr könnt jetzt in den Startblock gehen“, sagte die Moderatorin. Also folgten wir der Aufforderung und stellten uns auf – jede auf ein Smiley, die auf dem Boden aufgeklebt waren. So wurde auch beim Start der Mindestabstand eingehalten. „Noch eine Minute, ihr könnt jetzt die Masken abnehmen.“ Dann ging es auch schon los und wir stürmten los. Stürmen trifft es ganz gut. Denn wie beim Windpark Run vor sechs Tagen war der Wind wieder einmal mit am Start. Anders als in Tattendorf war auf den ersten zwei Kilometern jedoch Rückenwind angesagt, sodass man es schon mal laufen lassen konnte. 3:56. Ups. Als ich nach rund 400 Metern das erste Mal auf meine Uhr schaue und die Pace von 3:56 angezeigt wird, weiß ich: Das geht nicht lange gut. Runter vom Gas! Das mache ich dann auch. Zwei Läuferinnen vor mir stürmen weiter, doch schon nach einem Kilometer hole ich sie ein und schließlich habe ich nur noch einen Mann auf einem Fahrrad vor mir, der mir den Weg weist. Ui, ich bin die Schnellste. Das pusht! Wenn nur nicht der Wind wäre. Noch dazu auf zweiten Hälfte. Mit meiner Aufmerksamkeit bleibe ich einfach immer beim Radfahrer. Das lenkt ab und irgendwie verfliegen die letzten paar hundert Meter dann doch schneller als gedacht. 

Nach dem Zehner und ohne zu Tapern ging ich eigentlich ohne Erwartungen an diesen Lauf heran. Just for fun, einfach wieder einmal gemeinsam mit anderen ans Limit gehen. Dass ich dann im ersten Lauf nicht nur als Schnellste, sondern auch mit einer neuen persönlichen Bestzeit durchs Ziel laufe, hat mich echt überrascht. Ich bin zwar auch in Coronazeiten auf fast genau derselben Strecke wie jetzt beim 1st Women’s Distance Run einen virtuellen Fünfer gelaufen, damals in 21:12, ein echter Wettkampf ist aber eben ein echter Wettkampf und mit 21:13 habe ich den virtuellen Lauf von damals quasi bestätigt.

Im Ziel angekommen erfolgte auch schon wenige Minuten später die Siegerehrung. Maske war wieder Pflicht und Abstand halten sowieso.  

Fazit: Wie vom Österreichischen Frauenlauf gewohnt, war die Veranstaltung top organisiert. Das Maskentragen vorm Start und gleich nach dem Zieleinlauf wurde von allen eingehalten und der Community Distance Marker war zu keiner Zeit störend, das kleine Teil am Oberarm war überhaupt nicht spürbar. Durch den gemeinsamen Start gab es von Anfang an echtes Racefeeling und durch die strikten Maßnahmen mit Maske und Distance Marker war alles sehr auf die Sicherheit aller Teilnehmerinnen ausgelegt. 

Die Aufzeichnungen, die mit dem Marker gemacht wurden, sind jedenfalls spannend und lassen hoffen, dass auch weiterhin Laufveranstaltungen abgehalten werden können. Es zeigte sich, dass in den beiden Gruppen 88 Prozent bzw. 90 Prozent aller Kontakte kürzer waren, als 30 Sekunden. „Die Dauer der Kontakte liegt bei unter einem Dreißigstel von der von der AGES, der Österreichischen Agentur für Gesundheit, kommunizierten kritischen Kontaktdauer von 15 Minuten. Wir sind davon überzeugt, mit unserem Konzept Laufbewerbe auch mit 500 TeilnehmerInnen gleichzeitig sicher durchführen zu können. Sollte es tatsächlich einen Anlassfall geben, dann ist das Contact Tracing möglich “, erklärt Frauenlauf Geschäftsführerin Ilse Dippmann. „Somit sind Laufveranstaltungen als sicher einzustufen!“ 

Es wird also hoffentlich auch in naher Zukunft weiterhin Wettkämpfe geben. Ich freu mich drauf, denn eines bleibt mit oder ohne Maske: Das Strahlen im Ziel!

Foto: Österreichischer Frauenlauf GmbH

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