Was es mit Vergleichen auf sich hat

„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“ Der dänische PhilosophSøren Kierkegaard beschreibt mit diesem Satz das Phänomen, das mit Sicherheit jeder schon einmal erlebt hat. Sei es nicht unmittelbar beim Laufen, dann spätestens beim Durchforsten diverser Social-Media-Kanäle, in denen einem suggeriert wird: Das Leben hat nur eine Schokoladenseite und wenn das eigene gerade nicht zartschmelzend süß, sondern edelbitter schmeckt, bleibt in jedem Fall ein fahler Nachgeschmack.

Als ich mit dem regelmäßigen Lauftraining begonnen habe, war so gut wie alles irrsinnig geil. Erstmals zehn Kilometer im Training unter einer Stunde. Der absolute Wahnsinn! Erstmals zwölf Kilometer gelaufen. Mega! Erstmals vier Mal die Woche die Laufschuhe ausgeführt. Wow! Dass es Monat für Monat, beinahe Woche für Woche besser lief, ließ mich im siebenten Läuferhimmel taumeln. Ich war ganz bei mir. Bei meinen Zielen, meinem Körper, meinem Können.

Mit den ersten Erfolgen gesellte sich zu Spaß und Motivation langsam aber sicher auch die Erwartungshaltung an mich selbst: Beim nächsten Mal musst du besser sein als heute. Sei es beim Training oder vor allem beim Wettkampf. Neben der Jagd nach einer neuen persönlichen Bestzeit, begann auch das Schielen zur Seite. Was tut sich auf den anderen Wegen – sprich: wie sind denn die anderen so drauf? Wer ist besser, wer schlechter? Und damit wäre ich wieder beim Philosophen Kierkegaard: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks…“.

Theorie des sozialen Vergleichs

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich Menschen untereinander bzw. miteinander vergleichen. Wer hat das Auto mit den meisten PS. Wer hat das größere Haus. Wer trägt Designer Klamotten. Und das Wichtigste für uns Läufer: Wer ist schneller. In der Psychologie gibt es dazu die Theorie des sozialen Vergleichs von Leon Festinger. Dabei gibt es drei mögliche Richtungen:

1. Abwärts gerichtet

Beim abwärts gerichteten Vergleich schielen wir auf Personen, denen es schlechter geht als uns bzw. um beim Laufen zu bleiben, die langsamer oder weniger ausdauernd sind. Vergleiche ich mich z.B. mit Laufanfängern, werde ich immer Superwoman sein.

2. Aufwärts gerichtet

Beim aufwärts gerichteten Vergleich hingegen wird die Aufmerksamkeit auf Menschen gelenkt, die einem in dem Merkmal, das einem wichtig ist, überlegen sind, sprich – die z.B. schneller sind oder neben Marathon auch Ultra laufen. Dadurch ergibt sich die Chance zu erkennen, welche Steigerungen durch Verlassen der Komfortzone eventuell noch möglich sind. Eventuell betone ich an dieser Stelle, denn vergleiche ich mich z.B. mit einer 3-Stunden Marathonläuferin, werde ich immer frustriert und unzufrieden sein. Nehme ich mir stattdessen eine Läuferin, die nach einigen Marathons ihren ersten Ultra gelaufen ist, kann mich das motivieren, meine Ultra-Premiere zu planen.

3. Horizontal

Zu guter Letzt gibt es noch den horizontalen Vergleich: Durch das Messen mit Personen, die einem ähnlich sind, erhält man laut Festingers Theorie realistische Information über sich selbst. Sprich, der Vergleich mit Frauen, die etwa ebenso lange laufen wie ich, etwa gleich alt sind und auch vom Niveau nicht zur Elite zählen, ergibt, wo ich wirklich stehe. Klar geht es dabei um Leistung. Um Schnelligkeit. Um Ausdauer. Um nackte Zahlen. Sind meine 3:46 beim Marathon gut? Ja, nein? Wenn ja, wird die Motivation weiter steigen. Und wenn nein? Tja, dann gilt es zu hinterfragen, was treibt mich an dennoch weiterzumachen? Was ist denn mein Motiv, das die Motivation bestimmt, mich zufrieden und letztendlich glücklich macht?

Vergleich mit einem selbst

Im vergangenen Jahr habe ich durch mein gesundheitsbedingtes Knock-out einiges gelernt: Demut und vor allem Geduld zu haben. Mit mir und meinem Körper. Der nicht im Handumdrehen wieder dort weitermachen konnte, wo ich Ende 2016 aufgehört habe. Das Glück beschwerdefrei laufen zu können wurde immer wieder abgelöst von der Unzufriedenheit, die ich mir durch den Vergleich mit mir selbst verursachte. Damals war es so und so… Ich bin das schon so und so gelaufen und jetzt bin ich so langsam… Heute bin ich auf dem besten Weg zurück, um bei der Form von damals wieder anzuknüpfen. Aber noch immer ertappe ich mich beim Vergleich mit früheren, sprich besseren Tagen. Doch was bringt dieses Zurückschauen eigentlich außer, dass es am Selbstwert nagt? Nichts.

Lasse ich den Vergleich mit mir einmal beiseite, würde ich mich in eine Mischkategorie aus aufwärts gerichtetem und horizontalem Vergleich einordnen. Natürlich schaue ich mir die Altersklassenwertung bei einem Wettkampf an. Wenn schon nicht in der allgemeinen Klasse, dann zumindest in der W35 ein paar Plätze gutmachen. Schon steigt der Selbstwert ein bisschen. Oder es kann Ansporn für ein gesundes Maß an Ehrgeiz sein, das Ziel beim nächsten Mal ein Stückchen höher zu stecken.

Und warum nicht ein bisschen weiter nach oben schauen, um zu sehen, was andere so machen und sich ein paar Inspirationen holen, was es noch zu erleben gäbe. Vom Marathon zum Ultra? Ja vielleicht. Zumindest fängt da mein Herz schneller zu schlagen an. Aber nicht vor lauter Bammel wie beim schnellen 10er, sondern anders. Aufgeregt irgendwie. Freudig. Wissend: das könnte was sein für mich. Wie heißt es: „Folge deinem Herzen, es kennt den Weg.“ Dann klappt es auch mit dem Glück und der Zufriedenheit.

2 Kommentare zu „Was es mit Vergleichen auf sich hat“

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