Feedback an mich selbst

Auf den ersten Blick lässt es sich nicht erklären. Es ist alles wie immer. Dieselbe Uhrzeit. Die gleiche Strecke, die sich gefühlt schon blind laufen lässt. Und doch ist es heute anders. Die Grundlagenpace fühlt sich irre schwerfällig an. Meter werden zu Kilometern, bis sich die Gedanken schließlich nur noch um eine Sache drehen: Warum?

Jeder Läufer kennt solche Tage und jeder Läufer stellt sich dann wahrscheinlich die Frage: Warum läuft es heute nicht? Einer dieser Tage war fünf Tage vor dem Berlin Marathon. Ich hatte nur ein paar lockere Kilometer am Plan. Ein bisschen durchbewegen, ganz easy. Nur fühlte es sich nicht so an, ganz im Gegenteil. Die Beine Blei, der Puls höher als sonst und das Feeling nach vier Kilometern wie nach 34. Dabei war alles wie immer. Manchmal meint man vor lauter Energie den Marathon schon heute laufen zu können, an einem anderen Tag glaubt man Zementsäcke oder Betonstelzen an den Beinen zu haben. Woran liegt’s?

Es gibt Dinge, die kann man nicht beeinflussen. An diesem besagten Dienstag hatte es um 7 Uhr bereits schwüle 22 Grad. Mein Kreislauf fährt bei solchen Bedingungen Achterbahn. Aber Bewegung hilft ja in der Regel. Naja. Das Wetter lässt sich aber nur schwer beeinflussen. Was spielt noch eine Rolle?

Ich habe schon des Öfteren betont, dass ich pulsgesteuert laufe. Dementsprechend ist die Herzfrequenz in der Regel ein guter Indikator für meine Tagesform. Lange habe ich geglaubt, dass sich der Puls nicht beeinflussen lässt. Bis ich ein paar spannende Beobachtungen gemacht habe. Zum einen gibt es Dinge, bei denen sie von einer Sekunde auf die andere in die Höhe schnellt, als würde ich die Flucht ergreifen wollen. Zum anderen lässt sie sich auch gerne einmal durch bewusste Handlungen senken. Gemeint sind die Gedanken.

Wieso, warum?

An jenem Dienstag hatte ich, wie gesagt, wieder einmal mit dem Kreislauf zu kämpfen. Ich kannte ich den Sommer über nur zu gut. Ein Blick auf die Uhr verriet: Die Herzfrequenz war auch nicht mehr das, was sie einmal war. Zu hoch, wieso ist sie heute so hoch? Obwohl ich das schon oft genug erlebt habe und weiß, dass schon am nächsten Tag aus Betonhaxen wieder federleichte Gazellenbeine werden können, war ich irritiert und hoffte auf die wundersame Verwandlung am nächsten Tag. Immerhin stand in fünf Tagen der Marathon an.

Dem war dann auch tatsächlich so. Statt ganz locker dahinzutraben sollte ich am Mittwoch zwar nicht galoppieren – das war strengstens verboten vier Tage vorm Marathon – aber zumindest ein bisschen flotter laufen. Und siehe da: Haxen super, alles gut und auch von negativen Gedanken keine Spur. Ich hatte den Puls noch nicht einmal beachtet, weil es sich vom Feeling einfach gut und richtig anfühlte.

Dass man einen schlechten Tag nicht immer in einen guten verwandeln kann, ist klar. Aber es hilft in der Regel auch nichts, wenn man sich nur noch auf das „Warum?“ konzentriert. Ich laufe nun seit vier Jahren regelmäßig und erst dieses Jahr ist mir richtig bewusst geworden, welche Macht die eigenen Gedanken haben. Dafür ausschlaggebend war gar nicht so sehr die 10k Challenge, bei der ich einfach vom Kopf her am Ende eine enorme Blockade entwickelt hatte, sondern das Training selbst – sowohl bei der Challenge, als auch jetzt den ganzen Sommer über.

Was mir schon immer aufgefallen ist, dass ich extrem sensibel auf meine Umwelt reagiere. Ein Hund, der schnell noch die Seite wechselt oder schlicht und einfach der Verkehr in der Stadt – auf all diese Faktoren reagiere ich mit Stress, der den Puls steigen lässt. Beeinflussen lassen sich diese wie das Wetter schwer bzw. gar nicht. Wer in einer Großstadt lebt, muss damit rechnen, dass viel los ist. Was kann ich also selbst tun?

Zum einen: Laufen ohne Musik. Was für mich bisher so gut wie undenkbar war, wurde in den vergangenen Monaten zur Gewohnheit. Selbst bei Dreistundenläufen nehme ich den IPod nur noch für den „Ich kann nicht mehr und brauche dringend meine Lieblingssongs“-Notfall mit. Im Normalfall laufe ich jetzt ohne. Und siehe da: ich bin komischerweise irgendwie entspannter. Zeit nur mit mir und meinen Gedanken. Damit wäre ich auch schon beim Wichtigsten: meinen Gedanken.

Gedankenspiele

Auch wenn es nun bereits drei Wochen her ist, der Gedanke an den Berlin Marathon lässt mein Herz noch immer höherschlagen. Im positiven Sinne. Dementsprechend steigt mein Puls, auch wenn ich gerade auf der Couch sitze und diesen Text tippe. Anders verhält es sich, wenn ich mich zurück in die Berge beame und mir meinen letzten Urlaub vorstelle. Weit und breit Natur pur, keine Menschenseele, kein Verkehr. Allein der Gedanke daran entspannt mich so sehr, dass ich es bei einem ruhigen Grundlagenlauf schaffe, meinen Puls zu senken. Und dann gibt es noch Dinge, die einem einfach nicht aus dem Kopf gehen. Weil sie gerade so präsent sind, dass sie sich nicht so einfach verdrängen lassen und man immer und immer wieder daran denken muss. Probleme und Sorgen lassen sich nicht einfach wegbeamen und man kann ihnen auch nicht davonlaufen. All das spiegelt sich in der Tagesform wieder.

Dass ich mir das alles nicht einbilde, kann neuropsychologisch erklärt und gemessen werden: Biofeedback nennt sich die Methode, anhand derer die Auswirkungen mentaler Vorgänge auf den Körper sichtbar gemacht werden können. Sprich, meine Gedanken beeinflussen Atem- und Herzfrequenz, Muskelspannung oder auch den Blutdruck. Immer wieder schön zu beobachten beispielsweise vor einem Intervalltraining. Bereits die Gedanken an die bevorstehende Belastung lassen beim Einlaufen meinen Puls in die Höhe schnellen. Je näher es dann an die eigentliche Startlinie geht, umso mehr beginnt mein Herz zu rasen. Auch wenn ich es versuche, lässt es sich nicht verhindern. Wobei, will ich es da verhindern? Eigentlich nicht, denn immerhin gehört eine gewissen Portion Adrenalin dazu, um an die eigenen Grenzen gehen zu können.

No Drama, Baby!

Es braucht also nicht immer Tranquilizer-Gedanken. Aber es ist nützlich, wenn man weiß, wie der Körper in bestimmten Situationen reagiert. Dann klappt’s auch mit der Gelassenheit, wenn’s mal etwas außerhalb der Norm ist. Ich laufe zwar pulsgesteuert, lasse mich aber nicht wahnsinnig machen. Entscheidend ist immer noch das Körpergefühl und das kann sich auch mit fünf oder zehn Schlägen mehr wunderbar anfühlen. In diesem Sinne: No Drama, Baby!

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