Was wurde aus… der unbeweglichsten Frau auf diesem Planeten?

Treue Leser werden wissen: Im mir selber Druck machen bin ich ganz gut. Was dann beim Laufen oft nicht zum gewünschten Erfolg führt, ist in anderen Lebensbereichen ganz anders. Für mich ist es zum Beispiel immer der Horror, wenn ich Wochenendgeschichten vorschreiben soll. Montag, Dienstag, Mittwoch ist die Standardausrede: Jetzt doch nicht, ist ja noch ewig Zeit. Am Donnerstag plagt mich dann schon immer ein bisschen das schlechte Gewissen: Jetzt solltest aber wirklich mal anfangen. Der Vorsatz ist in der Theorie gut, in der Praxis habe ich in der Regel tausend andere Dinge zu tun. Alles ist besser als vorschreiben. So, dann ist schließlich Freitag und die Alarmglocken gehen an: Was, schon Freitag??!!! Aktueller Aufmacher? Äh ja. Wochenendgeschichte? Äh ja. Kolumne für Montag? Mist, auf die hatte ich vergessen! Äh ja, kommt auch. Leichte Panik macht sich in diesen Momenten immer breit. Aber: Unter Druck laufe ich zur Höchstform auf. Auch diese Zeilen werden in der Regel vor Freitagabend nicht fertig. Im Job geht’s nicht anders und in noch einem Bereich geht es nicht ohne Druck: Yoga.

Genau ein Jahr ist es nun her, dass ich mich meiner damaligen härtesten Challenge meines Läuferlebens gestellt habe: 20 Klassen in 30 Tagen lautete sie. Hätte Raphaela Pruckner von Hot Yoga Vienna diese Challenge im November 2017 nicht ausgeschrieben, ich hätte wahrscheinlich bis heute keinen Yogaraum mehr betreten. Denn ich stand nach mehrmaligen Versuchen mit Krieger und Co ziemlich auf Kriegsfuß: Bein höher und mehr strecken, Arme strecken, tiefer, höher, das Becken auf einer Ebene halten, … Die Varianten, die mich bis an die Grenzen meiner nicht vorhandenen Beweglichkeit brachten, waren schier unendlich. Mit jeder Anweisung der grazilen Trainerinnen wuchs meine Antipathie. Yoga? Never ever! Ihr seht mich nie wieder.

Druckmittel Jahreskarte

Richtig in Ruhe gelassen hat es mich aber dennoch nie. Ich sollte dehnen, an meiner Beweglichkeit arbeiten, geisterte immer wieder in meinem Kopf herum. Bis eben die Yoga Challenge im vergangenen Jahr begann und ich die Chance witterte, meinem Dasein als gefühlte unbeweglichste Frau auf diesem Planeten ein Ende zu setzen. 20 Klassen in 30 Tagen. Geworden sind es 26. Wie es mir dabei gegangen ist, gibt es hier nachzulesen. Jedenfalls setzte ich mir gleich danach ein Ziel: Ich werde diese verdammten herabschauenden Hunde beibehalten und dranbleiben. Und damit bin ich wieder beim Thema Druck: eine Jahreskarte musste her. Das tut dann nämlich, wenn sich der Schlendrian einschleicht und die Yogamatte in der Ecke verstauben lässt, richtig weh. Finanziellen Druck aufbauen. Yes! Wenn schon mit mentalem Druck keine Bestzeiten herausschauen, dann mit finanziellem an der nicht vorhandenen Beweglichkeit arbeiten.

Das war am 1. Dezember 2017. Da habe ich mir die Jahreskarte gekauft. Was ist seither passiert? Soviel sei gesagt: die Yogamatte landete nicht in der Ecke. Das Mittel mit dem finanziellen Druck hat geklappt. Insgesamt 56 Stunden, macht sage und schreibe 3.416 Minuten habe ich seit dem 1. Dezember in Krieger und Co investiert. Warum das Ganze eigentlich, wenn es nur sehr begrenzt Spaß macht?

Yoga ist nicht Gitarre spielen

Ich bin ein Mensch, wenn ich etwas nicht kann, lasse ich es in der Regel auch ganz schnell bleiben. Beispiel: Gitarre spielen. Wie gerne hätte ich in der Schule alle mit meinen Soloeinlagen begeistert, gereicht hat es im Endeffekt gerade einmal soweit, dass ich nicht durchgeflogen bin. Die Gitarre steht seither in der Ecke. Ich hatte keinen Sinn darin gesehen, außer alle damit aus dem Haus zu jagen, weiterzumachen. Ein bisschen anders verhält es sich mit Yoga. Denn obwohl ich es nicht mag, hat es positive Auswirkungen auf das, was ich mag: das Laufen. Mehr Motivation (außer den finanziellen Krater am Konto) braucht’s also nicht.

Wie lautet das altbekannte Sprichwort: Vorbeugen ist besser als heilen. Ich bin seit 1. Jänner 2018 rund 3.500 Kilometer gelaufen. Verletzungsfrei. Es läuft derzeit richtig gut. Damit das auch so bleibt, müssen viele Dinge beachtet werden. Ein Teil, der dazu beiträgt, ist neben regelmäßigem Krafttraining, meiner Meinung nach Yoga. Es kostet mich zwar auch nach einem Jahr noch immer hin und wieder Überwindung und ich muss mich aufraffen, um in die Stunde zu gehen, meine Muskeln und Sehnen danken es mir aber, indem sie mich all die vielen Kilometer ohne Wehwehchen tragen.

Die Hüfte öffnen

Freitag, 9. November 2018. Also fast auf den Tag genau seit Beginn meiner Yoga-Karriere treffe ich Raphaela in ihrem Hot Yoga Studio. „Welchen Schwerpunkt soll ich setzen: Hüftöffner, Rückbeugen, Core oder Armbalance?“, fragt sie ein paar Tage zuvor. Beim Kauf einer Jahreskarte ist auch eine Privatklasse mit der Chefin inkludiert, die ich nun knapp ein Jahr später endlich einlösen möchte. Ich brauche nicht lange überlegen: Hüftöffner. In Gedanken sehe ich Raphaela schon die Augen verdrehen und die Hände vorm Gesicht zusammenschlagen, weil ich so unbeweglich bin. Noch immer. Aber: Ich habe vor ein paar Wochen Lob bekommen. Von meinem Trainer. Dass ich in Sachen Beweglichkeit wie ein neuer Mensch wäre. Ich konnte es nicht fassen. Sein Lob bei den Übungen und diese Aussage waren für mich so unglaublich, als hätte er mir gesagt, ich würde demnächst einen Marathon in drei Stunden laufen.

Aber zurück zur Privatstunde. Hüftöffner sollte auf meinen Wunsch also das große Thema sein. Dass sich meine Hüfte jemals öffnen wird, bezweifle ich, aber bitte. „Na das schaut ja schon viel, viel besser aus!“ Hä? Ich sitze im Schneidersitz und schaue in den Spiegel. Meine Knie sind mindestens 30 Zentimeter vom Boden entfernt und dennoch soll das besser ausschauen? „Ich kann mich noch gut erinnern, vor einem Jahr bist du ja so gesessen“, sagt Raphaela und zieht ihre Knie fast auf Schulterhöhe. Äh ja. Fragen? Soviel zum Thema unbeweglichste Frau auf diesem Planeten.

Ohne Fleiß kein Preis

Raphaela erklärt was sie sich für die Stunde überlegt hat. „Es wird nicht immer angenehm sein“, meint sie. Na super. Das kann ja lustig werden. Es folgen Krieger, herabschauende Hunde. Hüftöffnungen im Liegen, im Sitzen. Mal geht’s recht gut, mal schaue ich neben der erfahrenen Yogini aus, als hätte mich jemand überfahren und wieder zusammengeflickt. Rechte Hand unters rechte Bein, wickeln, dann Bein nach vorne ziehen und vorne hochheben… „Wow, super, das ist eine der schwierigsten Übungen“, erklärt Raphaela. Äh, ja eh. Wenn ich mich auch noch irgendwie aufrichten könnte, würde ich mich ja sehen, aber zu spät – das Gleichgewicht hat mich verlassen.

Eine Stunde lang geht das so. Die Zeit vergeht im Nachhinein gesehen wie im Flug. Es macht klarerweise mehr Spaß, wenn man in den Luxus einer Privatklasse kommt. Fast ein Jahr hat’s damit gedauert, aber ich wollte bewusst Raphaelas Meinung bezüglich meiner vorhandenen oder nicht vorhandenen Fortschritte hören. Und? „Also damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Obwohl du durchschnittlich nur einmal die Woche gehst, hat sich echt viel getan!“ Ich konnte sie also tatsächlich ein bisschen überraschen.

Meine Jahreskarte endet mit 30. November. Noch vor einem Jahr hätte ich niemals gedacht, dass ich das wirklich durchziehe und ich mich mindestens einmal pro Woche bei etwa 40 Grad verbiege, um eine Stunde später völlig gestretched statt gestresst aus dem Hot Room zu torkeln. Wunder hat es zwar keine gegeben – ich kann noch immer keinen Spagat (auch nicht den stehenden haha), aber Wunder kann es bei einmal pro Woche Yoga genauso wenig geben, wie bei einmal pro Woche laufen. 20 Tage also noch. Und dann? Wie heißt es: ohne Fleiß kein Preis. Die positiven Veränderungen und vor allem das Lob von denjenigen, die sich wirklich auskennen, haben mich so bestärkt, dass ich dranbleiben werde. Druckmittel inklusive. Finanziellem versteht sich. Dann klappt’s auch mit der Beweglichkeit.

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